Wie sieht unser ZukunftsRAUM Kärnten aus?

(22.02.2018)


Die wahlwerbenden Parteien unter der Lupe

In der Raumordnung treffen planerische, politische und individuelle Interessen aufeinander. Im Zuge der gemeinsamen Podiumsdiskussion der Ziviltechnikerkammer Kärnten und des Kärntner Gemeindebundes am 22. Februar 2018 wurden die Spitzen der bei der Landtagswahl am 4. März kandidierenden Parteien zu ihren Vorstellungen über die Zukunft des „heißen Eisens“ Raumordnung befragt.

 

Ziviltechniker, Gemeinden und das Land sind Partner bei der Gestaltung der räumlichen Entwicklung des Landes im Sinne seiner BürgerInnen. Die rechtliche Grundlage dafür wird durch das Raumordnungsrecht geschaffen. Problematisch ist, dass dessen Reform nach nunmehr fast vierjährigen Verhandlungen noch nicht geglückt ist.  

Während sich Raumplaner vorausschauendes Denken und einen sparsamen Umgang mit Grund und Boden erwarten, wünschen sich die Gemeinden mehr Autonomie in Siedlungskernen und eine Beschleunigung der Widmungsverfahren. BügerInnen und Bürgerinitiativen ihrerseits klagen über eine zu starke Verbauung der Seen, wenige Grünflächen im städtischen Raum und die mangelnde Erreichbarkeit von Infrastrukturen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Welche Vorstellungen die wahlwerbenden Parteien anzubieten haben sollte die Veranstaltung von Ziviltechnikerkammer und Kärntner Gemeindebund im Architekturhaus Kärnten klären.

 

Kritischer Expertenbefund

Aus fachplanerischer Sicht zeigte Dr. Seiß die Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte in Kärnten auf. So seien bei vergangenen Widmungs- und Planungsfragen vielfach keine nachhaltigen und sinnvollen Entscheidungen getroffen worden. So forderte er bei dem Bau von Einfamilienhäusern abseits der Ortskerne volle Kostenwahrheit betreffend Infrastrukturkosten ein und schlug sogar ein System von Strafen für Gemeinden mit Insellösungen und Strafen von Gemeinden für BürgerInnen für besonders wenig nachhaltige Maßnahmen vor. Wie es aus Expertensicht besser funktionieren kann, zeigte er anhand von positiven Beispielen für komprimierte Bauweise, die Gestaltung von Grün- und Gemeinschaftsflächen und Barrierefreiheit bei guter Verkehrsanbindung auf. 

Ebenso forderte er eine stärkere Rolle der Stadtplanung bei der Gestaltung von Lebensräumen, Lage-Boni in der Wohnbauförderung, Höchst-, statt Mindeststellplatzzahlen und die massive Förderung eines sparsamen Flächenverbrauchs und aktive Regulierung des Einzelhandels.

 

Die Aussagen der wahlwerbenden Parteien

 LAbg. Herwig Seiser

© Gerhard Maurer

Klubobmann LAbg. Herwig Seiser (SPÖ)

Herwig Seiser teilte den Befund des Experten betreffend Zersiedelung, die Verbauung der Seen und die Auswirkungen der Widmung auf Verkehrsströme. Einsetzen werde sich die SPÖ für eine rasche Reform und Fusion der Raumordnungsgesetze („hier ist man schon sehr weit fortgeschritten“) und für eine Baulandmobilisierungsabgabe für gewidmete und nicht bebaute Grundstücke einsetzen. Lösungsvorschläge für die genannten Probleme werde man unter Einbindung des Gemeindebundes und der Ziviltechniker erarbeiten. Im Letztstand der Raumordnungsreform habe man die Verpflichtung zur Raumforschung vorgesehen („Expertensicht und Nachhaltigkeit können besser eingebunden werden“) und bei der Seenverbauung sollten überörtliche Entwicklungsprogramme eine maßvollere Vorgehensweise ermöglichen.

LAbg. Bgm. Herbert Gaggl

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LAbg. Bgm. Herbert Gaggl (ÖVP)

Als Entsandter der ÖVP vertrat Herbert Gaggl die Auffassung, dass man nicht jammern, sondern Lösungen finden müsse. Es gebe auch gute Beispiele im ländlichen Raum, oft habe allerdings die Raumordnung versagt („dort gibt es große Nutzungskonflikte“). Man müsse einen attraktiven Wohn- und Arbeitsraum in ländlichen Gebieten schaffen und brauche dabei auch eine Arbeitsteilung zwischen Gemeinden. Weiters sprach auch er sich für eine Baulandmobilisierungsabgabe aus und forderte die Gemeinden auf, Vorbild zu sein.

NRAbg. GR Sandra Wassermann (FPÖ)

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NRAbg. GR Sandra Wassermann (FPÖ)

Verwunderung über die fünfjährige Bilanz des Experten äußerte Sandra Wassermann. Besonderes Augenmerk müsse man auf Verfahrensbeschleunigungen und interkommunale Gewerbeparks setzen. Als wesentliche Vereinfachung sah Wassermann direkte Umwidmungsbeschlüsse innerhalb eines genehmigten Entwicklungskonzeptes an. Man müsse zwar freie Seezugänge behalten, müsse sich jedoch auch die Bedeutung des Tourismus vor Augen halten. Als Maßnahme zur Förderung von Eigenheimen schlug sie einen „Häuselbauerbonus“ vor.

LAbg. DI Michael Johann

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Klubobmann-Stv. LAbg. DI Michael Johann (Grüne)

Michael Johann äußerte seine Sorge über die zunehmende Bodenversiegelung durch den anscheinend ungebrochenen Traum vom Einfamilienhaus. Die Raumordnungsreform wäre aus seiner Sicht bereits gekommen, hätte es betreffend die Baulandmobilisierungsabgabe nicht einen „Rückzieher“ der ÖVP gegeben. Darüber hinaus sprach sich Johann für einen Baukulturbeirat, eine Beschränkung von Zweitwohnsitzen und Baulandwidmungen um die Seen aus. Die Gemeinden seien hier vielfach zu nachlässig, würden sich die Bürgermeister doch über Erträge aus der Zweitwohnsitzabgabe freuen.

 LAbg. Dr. Hartmut Prasch

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Klubobmann LAbg. Dr. Hartmut Prasch (Team Kärnten)

Aus einem kulturhistorischen Blickwinkel begann Hartmut Prasch seine Aussagen. So hätten sich in Kärnten unterschiedliche Räume und Siedlungsstrukturen entwickelt. Diese Ausgangslagen könne man in der Raumordnung nicht über einen Kamm scheren. Entscheidend sei es auch, alle raumordnungsrelevanten Zuständigkeiten in einem Referat zu bündeln. Ebenso forderte Prasch einen „Kataster der Siedlungsräume“ als Grundlage für die Raumordnung.

Thomas Moritz

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Thomas Moritz (Liste Verantwortung Erde)

Der Vertreter der Liste Verantwortung Erde forderte die Suche nach Wegen aus der Wachstumswirtschaft hin zu einer Bedarfswirtschaft. Man müsse neue Angebote (wie etwa einen „Kost-nix-Laden“) schaffen und so entstehende neue Gemeingüter vernetzen. Dies habe natürlich auch Auswirkungen auf den Raum.

Mag. Markus Unterdorfer-Morgenstern

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Mag. Markus Unterdorfer-Morgenstern (NEOS)

Verwunderung über die Zusammensetzung des Raumordnungsbeirates äußerte Markus Unterdorfer-Morgenstern. Mit der „massiven Flächenverbauung“ könne es so nicht weitergehen. Die Experten sollten in der Raumordnung den Input liefern, wie es weitergehen soll. Weiters sprach er sich für die bundesweite Vereinheitlichung bestimmter Rechtsmaterien, die Erhöhung der Zweitwohnsitzabgabe und den Entfall einer Stellplatz-Verordnung (Verordnung zur Regelung von Mindeststellplätzen je Wohneinheit – Anm.) aus. Zweitwohnsitze wollte der „gelernte Jurist“ man zudem über das Meldewesen regeln.

FH-Prof. StR Mag. Wolfgang Leitner

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FH-Prof. StR Mag. Wolfgang Leitner (F.A.I.R.)

Aus den Blickwinkeln der interkommunalen Zusammenarbeit, der Wirtschaftsentwicklung und der Umwelt analysierte Wolfgang Leitner die Raumordnung. Bisher sei eine Modernisierung vor allem an Einzelinteressen gescheitert. Über Förderschienen habe man den Stand der 1950er- und 60er-Jahre verlängert. Inhaltlich sprach sich Leitner für befristete Baulandwidmungen aus, welche nach Verstreichen einer bestimmten Frist wieder verfallen.

Martin Diendorfer

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Martin Diendorfer (KPÖ)

Dass alte Rezepte zu nichts Neuem führen, stelle Martin Diendorfer fest. Er stellte die Frage, wie die seitens der wahlwerbenden Parteien im Wahlkampf getätigten Aussagen zur Schonung des Raums passen. Als positives Beispiel in diesem Zusammenhang führte er Las Vegas an, wo bei Errichtung eines Hauses auch der Betrag für den Abriss hinterlegt werden müsse. Wohnen und leistbarer Wohnraum sei ein zentrales Thema – dafür sei das kommunale Bauen extrem wichtig. Darüber hinaus sprach er sich für eine „Leerstandsabgabe“ aus.